http://spectra-paintball.at/gutachten.pdf
Ordnungsrechtliche Einordnung von Paintball
Gutachten über die ordnungsrechtliche Einordnung von Paintball sowie die sich hieraus ergebenden Anforderungen für die deutschen Paintballspieler
I. Die ordnungsrechtliche Ausgangslage
1. Das allgemeine und das besondere Ordnungsrecht
Das von der Verwaltung auszuführende Ordnungsrecht hat nach der Definition des Ordnungsbehördengesetzes die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.
Hierzu sind zahlreiche Behörden eingerichtet worden, die in einem ihnen jeweils zugeordneten Spezialbereich des Ordnungsrechts die Einhaltung der jeweiligen Ordnungsvorschriften überwachen, so z.B. das Bauamt für das Baugesetzbuch, das Bauaufsichtsamt für die Landesbauordnung oder das Gewerbeaufsichtsamt für die Gewerbeordnung.
In den genannten Fällen handelt es sich um Sonderordnungsbehörden, die im Bereich des sogenannten besonderen Ordnungsrechts tätig werden.
Treten rechtliche Fragestellungen auf, die (noch) nicht in Gesetzesvorschriften speziell geregelt worden sind oder für deren Bereich noch keine Sonderordnungsbehörden eingerichtet worden sind, für welche aber dennoch die Möglichkeit eines staatlichen Eingreifens
zur Aufrechterhaltung der ordnungsrechtlichen Grundwerte gegeben sein soll, so ist hier der Bereich des allgemeinen Ordnungsrechtes berührt, welches vom Ordnungsamt insbesondere nach den Regeln des Ordnungsbehördengesetzes, aber auch nach sonstigen Sonderordnungsgesetzen wie dem Gaststättengesetz oder dem Bundesimmissionsschutzgesetz umgesetzt bzw. ausgeführt wird.
Das Ordnungsbehördengesetz, welches für das vorliegende Gutachten insbesondere von Interesse ist, regelt die Befugnisse des Ordnungsamts detailliert. Zunächst sind hier diverse Spezialmaßnahmen angegeben, welche das Ordnungsamt sämtlich anordnen kann, wenn sie zur Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben notwendig erscheinen, wie z.B. Platzverweisung, Durchsuchung oder Sicherstellung.
Ist in einem speziellen Fall keine der besonderen Eingriffsbefugnisse einschlägig, so kann das Ordnungsamt lediglich noch auf die sogenannte ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Ordnungsbehördengesetz NW (OBG NW) zurückgreifen.
Diese besagt, daß die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen können, um einen im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.
Da die genannte Generalklausel jedenfalls im Bereich Nordrhein-Westfalen die weitaus häufigste Eingriffsgrundlage für Anordnungen gegen Paintball-Veranstaltungen dargestellt hat und auch weiterhin darstellen dürfte, werden die einzelnen Voraussetzungen des § 14 OBG NW im folgenden ausführlich erläutert.
2. § 14 OBG NW- die ordnungsbehördliche Generalklausel
Ein Einschreiten des Ordnungsamtes auf der Grundlage des § 14 OBG erfordert stets das Vorliegen einer im einzelnen Falle bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Die beiden Zentralbegriffe öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung schützen völlig verschiedene Rechtsgüter.
So soll die öffentliche Sicherheit gefährdet sein, wenn die Rechtsordnung als solche oder subjektive Rechtsgüter einzelner Personen verletzt werden oder der Bestand und das Funktionieren des Staates oder seiner Einrichtungen angegriffen wird.
Nach dieser Definition deckt die ``öffentliche Sicherheit´´ daher all jene Fälle ab, in denen ohnehin schon gesetzliche Vorschriften existieren, welche durch das ordnungsrechtswidrige Verhalten einzelner verletzt werden. Aufgrund der fortschreitenden Verrechtlichung fast aller Lebensbereiche kann hiermit der weit überwiegenden Anzahl von Verstößen gegen das Ordnungsrecht durch die Ordnungsbehörden begegnet werden.
Daneben gibt es jedoch weiterhin eine ganze Reihe von Fallgruppen, in denen der Begriff der ``öffentlichen Sicherheit´´ nicht ausreicht, um neuartige und atypische Gefahren ordnungsrechtlich bekämpfen zu können, da der Gesetzgeber diese entweder (noch) nicht erkannt oder (noch) nicht abschließend reglementieren konnte oder wollte.
Hierzu gehören etwa die Standardbeispiele der aggressiven Bettelei oder des Damen Schlammcatchens oben ohne.
Gesetzliche Sanktionen gegen die genannten Erscheinungen existieren aus diversen Gründen, sicher auch wegen der äußerst schwierigen Handhabung dieser Phänomene, nicht. Vielfach werden diese Beispiele jedoch in der Öffentlichkeit als schlichtweg nicht hinnehmbar angesehen, da sie mit den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen nicht in Einklang stehen.
Daher wird auch in heutigen Tagen vielfach die Beibehaltung des Begriffes der ``öffentlichen Ordnung´´ in den Ordnungsgesetzen gefordert, um gegen derartige ungeregelte Erscheinungen des täglichen Lebens wirksam einschreiten zu können.
Die ``öffentliche Ordnung ´´ wird in einer althergebrachten Definition als ``Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit´´ bezeichnet, ``deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerläßliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird.´´
Seit gut 30 Jahren steht dieser Begriff jedoch in der Rechtswissenschaft im Kreuzfeuer der Kritik, vor allem, da ``eine kulturell, religiös und ethisch nach ihrer Tradition pluralistische demokrarische Gesellschaft es nicht zulassen könne, daß eine Mehrheit den Minderheiten ihre sozialethischen Auffassungen außerhalb verfassungsmäßig beschlossener Gesetze aufzwinge.´´( so stellvertretend für viele: Störmer, in: Renaissance der öffentlichen Ordnung?, 1997) Der Staat müsse daher auf die behördliche bzw. polizeiliche Durchsetzung solcher Mehrheitsauffassungen verzichten.
Die genannte Kritik führte nach und nach in etlichen Bundesländern zur Streichung des Begriffs der ``öffentlichen Ordnung´´ aus den Ordnungs- und Polizeigesetzen, so etwa in Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und (sogar) Bayern, hier jedoch nur für die Ordnungsbehörden, nicht für die Polizeibehörden (!).
Das Fehlen dieses Begriffs im bayrischen Sicherheitsbehördengesetz hat übrigens auch maßgeblich zu der bisher recht paintballfreundlichen Handhabung an den bayerischen Gerichten beigetragen, wie nachher noch zu zeigen sein wird.
Wie kontrovers die Diskussion um diesen Rechtsbegriff abläuft, zeigt sich jedoch daran, daß andererseits sämtliche neuen Bundesländer die ``öffentliche Ordnung´´ in ihre Gefahrenabwehrgesetze aufgenommen haben und viele alte Bundesländer sie bis heute beibehalten haben. (z.B. Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Rheinland-Pfalz)
In Nordrhein-Westfalen ist der Begriff zwar 1990 aus dem Polizeigesetz gestrichen worden, ist jedoch wie erwähnt weiterhin im praktisch bedeutsameren Ordnungsbehördengesetz vertreten.
Für die vorliegend interessierende Handhabung dieses Begriffes in Zusammenhang mit Paintball-Veranstaltungen und Einrichtungen in NRW ist also eine Auseinandersetzung mit den sich daraus für Paintball ergebenden Folgerungen notwendig.
3. Die ``öffentliche Ordnung´´ und Paintball
Die aktuelle ``Wiederauferstehung´´ der öffentlichen Ordnung in Zusammenhang mit extremistischen Versammlungen und Aufmärschen, bei denen die Anwendung dieses Eingriffstatbestandes immer wieder mit Nachdruck von der Öffentlichkeit gefordert wird, hat dazu geführt, daß der Begriff zunehmend auch in anderen Bereichen von Politik und Verwaltung wieder gerne medienwirksam zur Bekämpfung diverser ``unerwünschter Erscheinungen´´ benutzt wird, wenn auch statt des erhofften Eindrucks des beherzten Einsatzes für die Belange der Bürger oft der Eindruck eines überstürzten Aktionismus hängen bleibt.
Dies hat mit Sicherheit auch erheblich zu den jüngsten energischen Vorstößen des NRW-Innenministers gegen Paintball beigetragen, die sich in der parallelen Rechtsprechungs- und Behördenpraxis in NRW zur Zeit widerspiegeln.
Nach Auswertung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung zeigen sich jedoch wiederholte Ungereimtheiten und Argumentationslücken in den Ausführungen der ``Paintball-Gegner´´ .
Einige Ansatzpunkte zur Entkräftung dieses Vorbringens habe ich im folgenden einmal zusammengestellt:
a) ``Notlösung § 118 OWiG´´:
Sowohl das Urteil des Bayrischen VGH gegen die Herren Hoch und Schraml als auch der Runderlaß des NRW-Innenministers vom 14.04.2000 versuchen das Problem der ordnungsrechtlichen Generalklausel zu umschiffen, indem sie darlegen, die Veranstaltung von Paintballspielen stelle ohnehin (auch) eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 OwiG dar. Nach dieser Vorschrift ist ein Verhalten ordnungswidrig, welches geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
Auf diesem Wege wird versucht, einen Gesetzesverstoß und damit eine Veletzung der ``öffentlichen Sicherheit´´ zu konstruieren, damit man bei der Begründung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung nicht in argumentative Schwierigkeiten gerät.
Dieses Vorgehen halte ich jedenfalls angesichts der bayrischen Gesetze dort für schlichtweg unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen. Zum einen wird die öffentliche Ordnung dort gerade aus den Ordnungsbehördengesetzen gestrichen, da die öffentliche Sicherheit offensichtlich als ausreichend zur Reaktion auf ordnungsrechtswidriges Verhalten angesehen wird, zum anderen wird dann aber wieder über andere Bundesgesetze wie das Ordnungswidrigkeitengesetz versucht, diesen Begriff heranzuziehen, um unliebsamen Erscheinungen mangels rechtlicher Handhabe auf diesem Wege doch irgendwie beizukommen.
In NRW ist die Gesetzeslage zwar diesbezüglich anders, da die ``öffentliche Ordnung´´ wie erwähnt auch im OBG weiter vertreten ist, letztlich stellt die über § 118 OwiG begründete Verletzung der ``öffentlichen Sicherheit´´ auch hier nichts als ein `´Ablenkmanöver´´ von den Problemen, die sich bei einer Anwendung des Begriffes der ``öffentlichen Ordnung´´ ergeben, dar. Die Maßstäbe, die an eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung anzusetzen sind, können bei § 118 OwiG keinesfalls anders ausfallen als bei § 14 OBG NW, so daß sich der Innenminister hier mit seinen Begründungsversuchen letztlich im Kreis dreht. Die Kritik gegen den Begriff der ``öffentlichen Ordnung´´ kann ohne weiteres auch behördlichen Verfügungen, die auf § 118 OwiG gestützt werden, entgegengehalten werden.
b) Fehlende Berücksichtigung von ``Sozialnormen´´
Bei der gegen Paintball gerichteten Rechtsprechung wird vielfach kritisiert, daß die Gerichte die Definition der ``ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit nach den jeweils herrschenden Auffassungen´´ zwar stets fast gebetsmühlenartig ihren Urteilen voranstellen, sich dann jedoch in keiner Weise mit den tatsächlich in der Bevölkerung vorhandenen Anschauungen auseinandersetzen.
Vielmehr haben sowohl die Oberverwaltungsgerichte Münster und Koblenz in ihren ``Laserdrome-Entscheidungen´´ 1994 bzw. 1995 als auch der Bayerische VGH in seinem Urteil in Sachen Schraml/Hoch lediglich festgestellt, diese Anschauungen seien durch die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes geprägt. Sodann wurde jeweils zu einer reinen Auslegung der starren verfassungsrechtlichen Begriffe der Menschenwürde und des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit übergegangen (Art.1 und 2 Grundgesetz), ohne die ständige Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Ethik- und Moralvorstellungen auch nur ansatzweise in die Überlegungen miteinzubeziehen.
Diesen grundrechtlichen Wertmaßstäben, so die genannten Urteile, widersprächen jedenfalls das Laserspiel bzw. auch Paintball.
Eine Argumentation, die so nicht überzeugt und die angreifbar erscheint.
Lediglich in einem Urteil des BayVGH von 1994, in welchem die Laserdrome-Anlage nicht beanstandet wurde, ging das Gericht auf den äußeren Gesamteindruck der Anlage und die hierdurch hervorgerufenen Assoziationen etwaiger Betrachter ein, wobei aufgrund der Realitätsferne der gebotenen Optik keine moralischen Bedenken geäußert wurden.
Dieses Gericht war übrigens auch das einzige, daß ein Spielfeld selbst in Augenschein genommen und sich nicht nur auf Prospekte und Videos verlassen hat.
c) Fehlende Berücksichtigung der Grundrechte der ``Betroffenen´´
Darüber hinaus, daß grundrechtliche Wertungen von den meisten Gerichten ohne Heranziehung eines rasant wechselnden Moralverständnisses alleinig in den Vordergrund gestellt werden, müßte dann zumindest auch eine Abwägung gegenüber den Grundrechten der Betroffenen vorgenommen werden.
Diese ist jedoch in der mir vorliegenden Rechtsprechung ebenfalls unterblieben.
Jedwede Untersagung eines Paintball-Spielbetriebes stellt jedenfalls eine Verkürzung der Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen aus Art. 2 GG und somit einen Grundrechtseingriff dar.
Dieses Grundrecht kann nur durch Rechte Dritter, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz eingeschränkt werden. Gerade bei so weitreichenden Eingriffen wie der völligen Untersagung eines Spielbetriebes müßten nach dem Bundesverfassungsgericht umso sorgfältiger die zur Rechtfertigung des Eingriffes vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden.
d) Fehlende Notwendigkeit von ``Eilentscheidungen´´ vor gesetzgeberischem Tätigwerden
Weiterhin wird gerade auch im Bereich neuartiger, als dem Ordnungsrecht zuwiderlaufend angesehener Spiele häufig kritisiert, daß es in den Erziehungswissenschaften nach wie vor heftig umstritten ist, ob Spiele eine Gewaltbereitschaft auslösen können oder vielmehr sogar abbauen (!).
In letztere Richtung geht etwa der Schlußsatz im Gutachten von Frau Steinmetz zur Gewaltaffinität der Mitglieder der Paintball-Szene, in welchem die Autorin feststellt, daß ``Paintball die Möglichkeit der Distinktion bietet, anders zu sein als die anderen in einer auf Pluralisierung und Individualisierung ausgerichteten Gesellschaft´´, was die Autorin als wesentliches Motiv zur Ergreifung dieses Hobbys sieht, während eine gesteigerte Aggresivität bei Paintball-Spielern von ihr keinesfalls festgestellt werden konnte.
Die wissenschaftliche Klärung dieser Frage ist jedoch längst noch nicht im Endstadium und ohnehin derart langwierig, daß im Schrifttum Eilentscheidungen der Verwaltung für unnötig gehalten werden und vielmehr der Gesetzgeber gefordert sei, sich zu einer fachlich gestützten Beurteilung durchzuringen.
Es wird hier auch gerügt, daß die Behörden bei auf die öffentliche Ordnung gestützten Verfügungen in Bereiche wie etwa Moral, Erziehung etc. übergreifen, für die sie nicht beurteilungskompetent sind.
e) Vorrang von Spezialgesetzen vor der Generalklausel
Zudem ist vielfach von Behörden und Gerichten auch nicht berücksichtigt worden, daß ein Rückgriff auf die Generalklausel durch Spezialgesetze versperrt sein kann.
Gerade die Entscheidungen zu den Laserdrome-Anlage haben etwa die schwierige Frage, ob nicht die Gewerbeordnung den Beginn bzw. die Fortsetzung eines Gewerbes abschließend regelt, völlig ausgelassen.
Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes dürfen diese Punkte nur durch die Gewerbeordnung eingeschränkt werden, nicht aber durch die ordnungsrechtliche Generalklausel. Dieser Punkt kommt aber nur für Paintball- Einrichtungen in Betracht, bezüglich derer eine Gewerbeanmeldung bereits erfolgt oder zumindest beabsichtigt ist.
f) die öffentliche Gefährdung
Selbst wenn sich Behörden und Gerichte vereinzelt dazu entscheiden, das Paintballspiel in ihren Entscheidungen als mit den herrschenden gesellschaftlichen Moralanschauungen unvereinbar anzusehen, ohne dies einem wohlüberlegten Entscheidungsprozeß des Gesetzgebers zu überlassen, erfordert die Bejahung eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung stets auch das Vorliegen einer öffentlichen Gefährdung.
Schon die bereits genannte Definition der öffentlichen Ordnung bezieht sich demgemäß nur auf Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit. Dieser Öffentlichkeitsbezug wurde früher schon bei einer abstrakten Gefährdung durch ein öffentliches Verhalten, z.B. bei Trunkenheit in der Öffentlichkeit ohne eine konkrete Fremdgefährdung, als gegeben angesehen, weil diese jedenfalls theoretisch möglich sei. Dies war jedoch in der Wissenschaft nicht mehr haltbar, da eine Gefahr für die Rechtsgüter eines (nur) sich selbst Gefährdenden wegen Einwilligung irrelevant ist. Der früheren Ansicht lag die These zugrunde, es gelte, schlechte Vorbilder zu verhindern; ohne Öffentlichkeit aber kein schlechtes Vorbild!
Berücksichtigt man, daß selbst die Selbsttötung als extremste Form der Selbstgefährdung nicht gesetzlich verboten ist, ist die Herleitung einer Verletzung der öffentlichen Ordnung bei Paintballspielen ohne Öffentlichkeit schlicht nicht begründbar.
Im folgenden soll dieser Aspekt daher in den Vordergrund der aus der geschilderten rechtlichen Ausgangslage sich ergebenden praktischen Konsequenzen für Paintball gestelllt werden, die im zweiten Teil des Gutachtens erörtert werden.
II. Konsequenzen der aktuellen Rechtslage und Behördenpraxis für Paintball in der Zukunft
Das grundlegende Erfordernis der Öffentlichkeit für eine rechtliche Handhabe gegen Paintball ist erstaunlicherweise in den meisten Urteilen kaum problematisiert, vielleicht war es aber in diesen Fällen auch offenkundig erfüllt.
Der Innenminister von NRW hat in seinem Runderlaß dagegen die Voraussetzungen eines öffentlichen Verhaltens in bezug auf Paintball genau umrissen: Demnach muß sich ``das Angebot solcher Spiele an einen unbestimmten Kreis von Personen richten´´ oder müssen ``derartige Spiele auf sonstige Weise von der Allgemeinheit wahrgenommen werden können.´´
Ergänzend wird hier selbst für den Bereich der ``öffentlichen Sicherheit´´ festgestellt, daß`` ein Verstoß gegen diese insoweit allerdings nur gegeben ist, wenn der notwendige Öffentlichkeitsbezug bejaht werden kann, die Gefährdung sich somit zumindest vor den Augen einer begrenzten Öffentlichkeit ereignet.´´
Dieser ``Appell´´ des Innenministers diente offensichtlich auch der Ordnungsverfügung der Stadt Köln gegen die Halle des Herrn GXXX im September 2000 als Vorlage, da hier vereinzelte Formulierungen des ministeriellen Erlasses deckungsgleich übernommen wurden.
Um den bereits recht eng eingegrenzten Tatbestand der Öffentlichkeit in Zukunft bei Paintballveranstaltungen- oder einrichtungen nicht (mehr) zu erfüllen und Verwaltung sowie den Gerichten eine wesentliche Eingriffsgrundlage zu entziehen, bieten sich nach dem mir vorliegenden Material folgende Schritte an:
-Jedwede Form von Werbung für Paintballveranstaltungen- oder einrichtungen sollte unterbleiben, jedenfalls soweit sie einen nicht bestimmten, eingrenzbaren Personenkreis``aufruft´´bzw. diesem empfiehlt, dem Paintballspiel nachzugehen, sei es im Internet,in Fachzeitungen oder anderen Medien, soweit diese jedermann frei zugänglich sind.
Die entscheidende Frage ist dann natürlich, wann ein Personenkreis hinreichend bestimmt bzw. eingegrenzt ist.
Einen entscheidenden Hinweis gibt hier bereits die Stadt Köln in ihrer genannten Verfügung, indem hier ausgeführt wird, eine Vereinsgründung werde durch die Untersagung der Paintball-Veranstaltungen nicht behindert.
In das Vereinsleben soll nach dem Wortlaut der Verfügung ebenfalls nicht eingegriffen werden. Da anschließend die Öffentlichkeit der Nutzung der Vereinsanlage problematisiert wird, läßt sich im Unmkehrschluß daraus entnehmen, daß das Angebot der Nutzung einer Vereinsanlage, welches von vornherein ausschließlich an einen zum Zeitpunkt desAngebotes feststehenden und individualisierbaren Personenkreis , nämlich die Vereinsmitglieder, gerichtet ist, die öffentliche Ordnung nicht verletzen kann, da diese nicht einmal berührt ist.
Beanstandet wurden in der Kölner Ordnungsverfügung folgende Aspekte mit ``Öffent-
lichkeitsbezug´´: zum einen hätte der Betreiber in einem Schreiben angegeben, daß das
Spielfeld zu bestimmten Zeiten Personen zur Verfügung stehe, die sich für den Paintball-
sport interessierten.
Es muß also vermieden werden, daß durch die Darstellung in Publikationen des Vereins
bei Außenstehenden auch nur der Eindruck entstehen könnte, das Spielfeld könne auch
von nicht dem jeweiligen Verein angehörigen Personen für Paintballspiele genutzt werden.
Im Internet sei zudem von Herrn GXXX darauf hingewiesen worden, daß das Spielfeld jeden Samstag und Sonntag geöffnet sei und alle Teams und Einzelspieler (auch Anfänger)``herzlich willkommen´´ seien. Derartige, praktisch an jedermann, sogar außerhalb der gesamten aktuellen ``Paintball -Szene´´, gerichtete Werbung verbietet sich nach dem Gesagten dann natürlich erst recht.
Die genannten Punkte schließen meines Erachtens aber nicht aus, daß über die Wege einer Aufnahme in den Verein und sich die im Verein anbietenden Spielmöglichkeiten oder Öffnungszeiten in mitgliederorientierten Informationstexten, auch im Internet, hingewiesen wird, wenn man dabei auch auf einem schmalen Grat wandelt.
Die Angabe von Ansprechpartnern mit Anschrift und Telefonnummer bei jedweden Fragen zum Spielbetrieb bzw. zum Vereinsleben kann ebensogut als an die Vereinsmitglieder wie auch an Außenstehende gerichtet verstanden werden.
Ebenso können auch von Vereinsmitgliedern für spezielle Turniere Teilnahmegebühren verlangt werden. Erwähnt man diese in Zusammenhang mit einer Beitragsübersicht für Mitgliedsbeiträge, welche die Höhe der Beiträge nach der Dauer der Vereinszugehörigkeit aufsplittet und auch die Möglichkeit einer Tagesmitgliedschaft ausdrücklich hervorhebt, kann auch eine derartige Darstellung das Interesse Außenstehender an diesem Verein wecken, ohne Behörden und Gerichten aufgrund eines offensichtlichen Öffentlichkeitsbezuges eine Angriffsfläche zu bieten.
Wird Paintball-Zubehör in Publikationen an Vereinsmitglieder zum Kauf angeboten, so dürften sich hierauf bei entsprechender Angabe der bereits oben erwähnten Kontaktadressen bzw. nummern zu den Artikeln ohnehin auch Nichtmitglieder melden.
Etwas schwieriger wird es bei einer Darstellung von Spielabläufen oder Berichten über Turniere mit detaillierter Schilderung der Spiele, da dies bei einer jedermann zugänglichen Verbreitung etwa im Internet auch bei Nichtvereinsmitgliedern den von Rechtsprechung und Politik am meisten befürchteten Effekt des ``Abbaus von Gewalthemmschwellen´´ oder eines ``Abstumpfens gegenüber Tötungshandlungen´´ jedenfalls in den Augen der Paintballgegner fördern könnte.
Dies gilt jedenfalls insoweit, als die gewählte Darstellungsform Assoziationen hervorruft, die den behaupteten ``martialischen´´ Charakter dieses Spiels noch unterstreichen würden. Eine Schilderung, die den Geschicklichkeitsfaktor dieses Spiels in den Vordergrund stellt, wäre dagegen kaum zu beanstanden.
Einmal abgesehen von dem Aspekt der Öffentlichkeit sollte ganz allgemein der Einsatz von martialisch vorbelasteten Symbolen oder Ausstattungen (z.B. Tarnnetze oder Tarnanzüge) nur mit größter Zurückhaltung erfolgen.
Gerade in der Entscheidung des OVG Münster wird der durch die Optik des Spielfeldes verstärkt entstehenden ``Kampfatmosphäre´´ ein erhebliches Gewicht im negativen Sinne eingeräumt, welches mit zur Beurteilung der Quasar-Anlage als ordnungswidrig führte.
Demgegenüber wurde im entgegengestzten Urteil des BayVGH zum Laserdrome (1994) positiv festgehalten, daß ``die in unverhüllter Schlichtheit umherstehenden Plastikkulissen für martialische Illusionen kaum einen Ansatz bieten.´´ Letztgenannte Entscheidung gelangte denn auch zu einer Unbedenklichkeit der Anlage.
Außerdem hebt insbesondere das Urteil des OVG Koblenz hervor, daß eine Hauptzielgruppe des Quasar-Spiele bei den 14-18-jährigen liege. Auch wenn mir nicht bekannt ist, ob es bei Paintball einen entsprechend hohen Anteil minderjähriger Spieler gibt, so ist doch die Aufnahme von Jugendlichen in Paintball-Vereine jedenfalls eher restriktiv zu handhaben, da der ``Schutz der Jugend´´ als Schutzgut des öffentlichen Interesses besonders hoch gehalten wird und die Möglichkeit besteht, daß ein Spielfeld auch ohne Feststellung eines öffentlichen Spielbetriebes dann unter dem Deckmantel des Jugenschutzes als staatlicher Aufgabe und somit wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit geschlossen werden könnte.
Zuletzt ist es nach dem Gesagten selbstredend, daß die Vereinsanlagen nur Vereinsmitgliedern zugänglich sein dürfen und die Spielfelder auch nicht von Unbeteiligten eingesehen werden sollten, um ein ordnungsbehördliches Einschreiten nicht heraufzubeschwören.
III. Zusammenfassung
Als Abschluß läßt sich zusammenfassend feststellen, daß die öffentliche Diskussion um die gesellschaftliche, ethische und moralische Einordnung des Spieles Paintball mit Sicherheit die verschiedensten Sozialwissenschaften noch lange beschäftigen wird und längst noch nicht abgeschlossen ist.
Daß Behörden, Gerichte und Politik ungeachtet dessen bereits oftmals diesem Spiel seine rechtliche Daseinsberechtigung absprechen, indem man ``die Gesamtheit der herrschenden Auffassungen ´´ über das, was zur öffentlichen Ordnung gehören soll, relativ undifferenziert einem Verbot zugrundelegt, halte ich persönlich für weitaus verfrüht und unüberlegt.
In der Literatur fand ich zu diesem Aspekt eine ebenfalls sehr skeptische Anmerkung, mit der ich mein Gutachten auch abschließen möchte:
``Der ideologischen Anfälligkeit gerade des Begriffs der öffentlichen Ordnung sollten sich Rechtsanwender und Gesetzgeber bewußt sein. Wer sich heute für die Beibehaltung der Ordnungsklausel in den Gefahrenabwehrgesetzen ausspricht, muß einkalkulieren, daß der Begriff morgen auch von jenen instrumentalisiert werden könnte, die mit der ``Aufrechterhaltung öffentlicher Ordnung´´ andere Inhalte verknüpft, als ihm lieb sein können.`` ( aus: Störmer, Renaissance der öffentlichen Ordnung?)
Zeisig
Rechtsanwalt